Frank Leidenberger, Chief Digital Officer der BWI GmbH 

 

"Man muss Menschen mögen"

 

Was bedeutet Haltung für Dich?

 

Haltung, wenn man es aufs Physische überträgt, bedeutet ja wie „man steht“. Als Vorgesetzter steht man vorne - Und wer vorne steht wird gesehen, wird „gläsern“. Da ist es dann besonders wichtig, aufrecht zu stehen, ehrlich zu sein und wertschätzend auf die anderen zu zugehen. Persönlich glaube ich, dass man Menschen und den Umgang mit Ihnen wirklich mögen muss, um ein guter „Führer“ zu sein.

 

Auf dieser Grundlage entsteht Vertrauen - Vertrauen in die Führung. Und das brauchen wir im Digitalen noch mehr als sonst schon. Denn digital ist der Vorgesetzte oft nur eingeschränkt sichtbar!

 

Welche Aspekte von Haltung sind für digitale Führung besonders wichtig?

 

Die Idee der „digitalen Führung“ ist sehr spannend. Führung ist steuerndes Einwirken auf andere. Hier kommt es bei Führung über digitale Medien nochmal mehr auf Vertrauen an und auf bewusstes Kommunizieren. 

 

Bei digitalem Führen haben wir kein direktes Einwirken auf den anderen, es ist immer ein Medium dazwischen: häufig Sprache, genauso häufig aber auch nur Text, vielleicht ein Videobild. Daher ist es wichtig, dass man dem, der da kommuniziert, vertraut. Auch weil die Fehlertoleranz weniger ausgeprägt ist im digitalen Umfeld. Da ist dann auch die eigene Wortwahl entscheidend, um kurz und trotzdem verständlich zu sein.

 

Wie arbeitest Du an Deiner eigenen Haltung? Und welchen Rat zur Haltungsverbesserung hast Du für uns?

 

Ich glaube, dass sich Haltung über die Zeit entwickelt und man sie kaum kognitiv beeinflussen kann. Haltung ist eher affektiv, abhängig vom Charakter und von gelebter Erfahrung und erlebten Vorbildern. Keiner wird als Chef geboren, aber man hat eventuell das Glück, dass die Menschen, die einen erzogen haben, und dass die, die einen geführt haben, eine „gute“ Haltung hatten und sich vorbildlich verhalten haben. 

 

Werteorientierung ist bedeutsam und umso wichtiger, je höher eine Führungskraft im Unternehmen steht. Dafür haben wir in der BWI formal unsere Werte definiert und unsere Erwartung ist, dass die Mitarbeiter, die diese Werte leben, sich auch in ihrer Haltung dem annähern was wir von uns und unseren Führungskräften erwarten. 

 

Da spielen Werte eine größere Rolle als technische Expertise. Wir haben häufig das Phänomen, dass wir technische Experten stark fördern und dann auch erwarten, dass sie eine gute Führungskraft sind. Wenn jemand technisch sehr stark ist, hat er oft die Neigung den langen Schraubenzieher zu nehmen und alles selbst zu machen und zu kontrollieren. Man muss als Führungskraft die Mitarbeiter aber eher empowern, damit jeder sein Bestes geben kann.

 

Siehst Du einen Unterschied zwischen Führung in militärischen und zivilen Organisationen? Und was können wir voneinander lernen?

 

Ich denke grundsätzlich gibt es überhaupt keinen Unterschied zwischen Führung im Militärischen und im Zivilen. Die Bundeswehr legt allerdings viel mehr Wert auf die Ausbildung ihrer Führungskräfte im Hinblick auf die Führung von Menschen, als ich es bisher im Zivilen beobachten konnte. Im zivilen Umfeld qualifiziert man sich stärker über die Fachlichkeit und Coaches sollen häufig im Nachhinein das nachholen, was ich für die Bundeswehr in Anspruch nehmen würde: gezielte Vorbereitung auf Führungsaufgaben. 

 

Das Kerngeschäft der Führungskräfte der Bundeswehr ist, unter Zeitdruck und mit begrenzten Informationen vernünftige Entscheidungen zu treffen. Um diese Rolle richtig wahrnehmen zu können, gibt es in der Bundeswehr zum Beispiel einen dezidierten Führungsprozess, der eine strukturierte Abwägung der Möglichkeiten bis hin zur Entscheidung vorsieht.

 

Vorgesetzter in der Bundeswehr sein heißt immer zuerst Menschen führen. Der Anspruch ist, Menschen zu motivieren, aus dem Graben zu springen und sich der Gefahr auszusetzen, auch wenn es stinkt und kracht. Diese Extremsituation erfordert, dass man mit Menschen umgehen kann, und es braucht Vertrauen in die Entscheidungen der Führungskraft. 

 

Zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Ausbildung zu Führungskräften auf allen Ebenen werden in der Bundeswehr Pflichtlehrgänge dazu durchgeführt. Die angehenden Spitzenführungskräfte werden ja sogar zwei Jahre lang an der Führungsakademie auf dem Lehrgang General- und Admiralstabdienst National auf die unterschiedlichen Aspekte von Führung vorbereitet. 

 

Auf der anderen Seite bringt uns die Digitalisierung auch dazu, dass wir bei der Bundeswehr anfangen, über technische Expertenlaufbahnen zu sprechen. Hier kann die Bundeswehr von der Industrie lernen. Die beiden Perspektiven aus Industrie und Bundeswehr ergänzen sich daher sehr gut. 

 

Frank Leidenberger, Chief Digital Officer BWI GmbH

 

Foto: BWI GmbH