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Interview mit Generalmajor Zudrop zum Verständnis von Agilität

Wie definieren Sie „Agilität“ in Zusammenhang mit „Führung“?

 

Agilität steht für mich für Beweglichkeit im Denken und Handeln, Flexibilität in der Auftragserfüllung, Antizipieren von Chancen und Risiken, Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen sowie den festen Willen, zu gestalten. Das ist gleichermaßen ein individueller Anspruch an die Führungskräfte der Bundeswehr wie an die Bundeswehr als Ganzes. So verstandene Agilität setzt zielgerichtete Ausbildung und Vorbereitung unserer Führungskräfte ebenso voraus, wie die Rollenklärung in der jeweiligen Führungsaufgabe für sich selbst und im Verhältnis zu anderen sowie die klare und „messerscharfe“ Definition der (eigenen)  wesentlichen Führungsleistung.Wirkungsvoll Führen unter den Bedingungen von Digitalisierung, Vernetzung, Individualisierung und Globalisierung erfordert darüber hinaus eine hohe Beweglichkeit in der Wahl des situativ zweckmäßigen Führungsstils. So ist bspw. gerade in kleinen interdisziplinären Projektteams nicht in erster Linie der klassische direktive Vorgesetzte, sondern vielmehr der transparent agierende Mentor gefragt. Das setzt geistige Flexibilität und ein hohes Maß an Empathie voraus.

 

Wie werden die Grundsätze der Inneren Führung und des „Führen mit Auftrag“ einem modernen, agilen Führungsstil gerecht?

 

Die Innere Führung ist die Grundlage für den militärischen Dienst in der Bundeswehr. Sie ist unser Selbstverständnis und gibt uns Leitlinien an die Hand, wie wir miteinander umgehen.

Z.B. ist der Grundsatz des „Führens mit Auftrag“ hierbei ein wesentliches Merkmal und unterscheidet die Bundeswehr von Armeen anderer Staaten. Für mich ist das „Führen mit Auftrag“  das erfolgreichste Modell zur Komplexitätsreduzierung im Führungsprozess und somit gerade heute und zukünftig als Prinzip unverzichtbar. Die entscheidenden Faktoren sind dabei klare Zieldefinition und die Bereitstellung adäquater Ressourcen. Um sich in den Handlungsfeldern der Inneren Führung und dem Führen mit Auftrag erfolgreich auszuwirken, müssen unsere Führungskräfte verantwortungsvoll, flexibel, dynamisch und vertrauensvoll agieren. Von daher stelle ich die These auf, dass von jeher agil in der Bundeswehr geführt wird. 

 

Warum ist Agilität der Schlüssel zum Erfolg in der Führung von Menschen?

 

Natürlich ist agiles Verhalten und Handeln von Führungskräften auch ein Element erfolgreicher Menschenführung und ist gerade auch im militärischen Umfeld erforderlich, um schnell und flexibel auf überraschende Lageänderungen zu reagieren. 

Der Schlüssel zum Erfolg in der Führung von Menschen ist aber Beispiel gebend voranzugehen. Führen durch Vorbild ist  der „game changer“! Das schließt das Vorleben der Grundsätze und Werte der Inneren Führung ein und  ist Aufgabe eines jeden Vorgesetzten. Wenn ich die Innere Führung im täglichen Dienst lebe und das Vertrauen meiner Untergebenen gewinne, folgen sie mir auch  im Einsatz, bei Gefahr für Leib und Leben. 

In Bezug auf Agilität ist es aus meiner Sicht offenkundig, dass gute Menschenführung und eine gute Führungskultur erst die Voraussetzungen für die Entfaltung individueller Agilität von Führungskräften sowie von Organisationen als Ganzes schaffen. Hier sind wir mit der Konzeption der Inneren Führung gut aufgestellt, müssen aber den Anschluss an aktuelle Entwicklungen sicherstellen.

Ein Treiber für „agiles Führen“ ist das Bestehen müssen unter den Bedingungen rasant zunehmender Digitalisierung und Vernetzung.  Dies gilt in besonderem Maße auch für das militärische Umfeld. Auch hier verändern sich tradierte Strukturen und Prozesse. Das gilt es,  zu untersuchen, zu diskutieren und gewonnene Ergebnisse zügig umzusetzen. Das Zentrum Innere Führung stellt sich diesem Thema aktuell zusammen mit dem Kommando Cyber- und Informationsraum im Rahmen unseres „Koblenzer Dialogs“, bei dem wir auch die Wirtschaft mit einbeziehen. Kernfrage ist dabei u.a.: Wie gelingt es, gestandene, erfahrene Führungskräfte dazu zu motivieren, von den jungen „digital natives“ zu lernen?, sozusagen als „Reverse Mentoring“. Das „Voneinander-Lernen als Tauschgeschäft“ ist ein Ansatz, den ich persönlich sehr interessiert verfolge. Ich erhoffe mir von dieser Veranstaltung Antworten, die wir später unseren Führungskräften weitergeben können, um diese in ihrer digitalen Führungskompetenz zu stärken.

 

Autor: Generalmajor Reinhardt Zudrop, Kommandeur des Zentrum Innere Führung